Gesellschaftsrechtliche „Vorsorgeuntersuchung“ – Ist Ihr Gesellschaftsvertrag noch aktuell?
1. Einleitung
Die personellen und organisatorischen Strukturen eines Unternehmens sind gerade im Mittelstand oft über viele Jahrzehnte gewachsen. In den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen, insbesondere im Gesellschaftsvertrag, werden entsprechende Veränderungen jedoch nicht immer vollumfänglich nachvollzogen. Dabei sind deren regelmäßige Überprüfung und Anpassung Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen zu jedem Zeitpunkt gesetzeskonform aufgestellt und handlungsfähig ist. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick zu typischen Ereignissen, die Anlass zu einer gesellschaftsrechtlichen „Vorsorgeuntersuchung“ geben sollten.
2.Wann bietet sich eine gesellschaftsrechtliche Vorsorgeuntersuchung an?
Als erster Anknüpfungspunkt sind Veränderungen im Gesellschafterbestand zu nennen. Hatte die Gesellschaft zu Beginn womöglich nur einen oder wenige Anteilseigner, können aufgrund von Anteilsveräußerungen oder der Übertragung im Wege der Nach- oder Erbfolge neue Gesellschafter hinzugetreten sein. Nach derartigen personellen Veränderungen sollte sorgfältig geprüft werden, ob die Mehrheitserfordernisse für Gesellschafterbeschlüsse noch den Beteiligungsverhältnissen und Wünschen der Gesellschafter entsprechen und ob etwaige Sonderechte noch aktuell sind. Soll dagegen ein Gesellschafter ausscheiden, liegt der Fokus vor allem auf den Kündigungs- und Abfindungsregeln: Hätte der Austritt des Gesellschafters womöglich die (unerwünschte) Auflösung der Gesellschaft zur Folge? Auf welche Weise kann ein Gesellschafter, der seine Pflichten verletzt, ausgeschlossen werden? Spiegelt die vertragliche Abfindungsregelung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft noch ausreichend wider?
Gerade bei der Berechnung der Abfindung kommt es häufig zum Streit zwischen den Gesellschaftern. An der Wirksamkeit der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung können dabei aus verschiedenen Gründen Zweifel bestehen. Ist das Unternehmen über die Jahre immer erfolgreicher geworden, kann eine ursprünglich noch wirksame Abfindung zum Buch- oder Nennwert der Beteiligung inzwischen unwirksam geworden sein. Auch entsprechen früher verwendete Bewertungsverfahren womöglich nicht mehr den heutigen Standards. Dies betrifft zum Beispiel die Bewertung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren, die sich häufig noch in Altverträgen findet. Oft stellen die Gesellschafter erst im Zuge eines laufenden Gesellschafterstreits fest, dass die Abfindungsregelungen ihren Interessen nicht mehr entsprechen. Für Änderungen ist es in diesem Zeitpunkt jedoch bereits zu spät, sodass die unerwünschte Regelung auch in einem Gerichtsverfahren maßgeblich ist.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen ändern sich regelmäßig. Zuletzt ist zum 01. Januar 2024 das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts in Kraft getreten. Hiermit wurde unter anderem das sog. Gesellschaftsregister geschaffen, das in Anlehnung an das Handelsregister die Eintragung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) ermöglicht. Diese Eintragung ist erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der GbR bei Immobilientransaktionen sicherzustellen. Sie bietet sich daher unter Umständen auch zu einem Zeitpunkt an, zu dem keine konkrete Transaktion geplant ist.
Zuletzt ist die Aufarbeitung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen auch mit Blick auf einen späteren Unternehmensverkauf zu empfehlen. Sollen das Unternehmen oder Anteile hieran veräußert werden, müssen bereits auf Verkäuferseite verschiedene rechtliche Voraussetzungen vorliegen. Hierbei sind insbesondere Zustimmungsrechte der Mitgesellschafter (sog. Vinkulierungsklauseln) und Mitverkaufsrechte oder -pflichten zu beachten. Der Käufer hat dagegen ein Interesse daran, sich umfassend über die Verhältnisse der Gesellschaft zu informieren, um beurteilen zu können, welche Rechtsfolgen an den Anteilserwerb geknüpft sind. Voraussetzung hierfür ist eine sorgfältige Dokumentation sämtlicher Ein- und Austritte von Gesellschaftern, Satzungsänderungen und weiteren grundlegenden Maßnahmen. Diese kann sich insbesondere dann schwierig gestalten, wenn die Gründung der Gesellschaft bereits lange zurückliegt und entsprechende Dokumente womöglich nicht mehr auffindbar sind. Durch eine rechtzeitige rechtliche Beratung und Gestaltung können der Verkaufsprozess erheblich vereinfacht und somit auch die Attraktivität des Kaufobjekts gesteigert werden.
Fazit: Ein Gesellschaftsvertrag sollte regelmässig geprüft werden.
In allen vorgenannten Fällen zeigt unsere tägliche Erfahrung, dass die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen Konflikten vorbeugen und bei der Umsetzung von Projekten Zeit und Kosten sparen kann. Gerne nehmen wir daher eine gesellschaftsrechtliche Vorsorgeuntersuchung für Sie vor und stehen Ihnen mit unserer langjährigen Expertise im Gesellschaftsrecht jederzeit für Fragen, Empfehlungen und Gestaltungswünsche zur Verfügung.