Haftung von Online-Marktplätzen für Urheberrechtsverletzungen
BGH, Urteil vom 23.10.2024 – I ZR 112/23
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 23. Oktober 2024 in einem Urteil (I ZR 112/23) entschieden, dass die Haftung von Online-Marktplätzen für Urheberrechtsverletzungen ähnlich zu behandeln ist wie die Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen. Dieses Urteil hat wesentliche Konsequenzen für Betreiber von Online-Marktplätzen, die für Inhalte haften, die Dritte auf ihren Plattformen bereitstellen. Hier sind die wichtigsten Punkte des Urteils:
1. Übertragung der unionsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf Online-Marktplätze
In seinem Urteil bezieht sich der BGH auf die bisherigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und seine eigenen Entscheidungen zur Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen (z. B. YouTube und Cyando). Die unionsrechtlichen Grundsätze, die für die Haftung solcher Plattformen entwickelt wurden, sind nach Auffassung des BGH auf Online-Marktplätze übertragbar. Dies bedeutet, dass auch Online-Marktplätze grundsätzlich dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich gemacht werden und dadurch Rechte verletzt werden.
2. Überprüfungspflichten der Betreiber von Online-Marktplätzen
Der BGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass Betreiber von Online-Marktplätzen verpflichtet sind, nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Konkret bedeutet dies, dass der Plattformbetreiber nach einer Meldung Angebote auf gleichartige Urheberrechtsverletzungen überprüfen und rechtswidrige Inhalte sperren oder löschen muss – sofern dies technisch und wirtschaftlich zumutbar ist.
Allerdings stellt der BGH auch klar, dass bei Online-Marktplätzen die besonderen Umstände zu berücksichtigen sind. Wenn das angebotene Produkt selbst nicht urheberrechtsverletzend ist, sondern lediglich die Präsentation des Angebots eine Urheberrechtsverletzung darstellt, dann beschränkt sich die Prüfungspflicht auf ähnliche Präsentationen. Der Plattformbetreiber muss also nicht sämtliche Darstellungen eines urheberrechtlich geschützten Werks überprüfen, sondern nur diejenigen, die die gleichen oder vergleichbare Merkmale aufweisen.
3. Abgrenzung zur Haftung für Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils ist die Unterscheidung zwischen öffentlicher Wiedergabe und Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Der BGH hat klargestellt, dass die Haftungsgrundsätze für die öffentliche Wiedergabe nicht auf die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken auf den Servern einer Plattform übertragbar sind. Für eine Vervielfältigung bleibt es daher bei den strafrechtlichen Haftungsgrundsätzen der Täterschaft und Teilnahme.
Fazit
Das Urteil des BGH vom 23. Oktober 2024 stellt wichtige Weichen für die Haftung von Online-Marktplätzen im Urheberrecht. Es bestätigt, dass Online-Marktplätze ähnlich wie Video-Sharing-Plattformen eine Verantwortung für rechtswidrige Inhalte tragen, wenn sie auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen werden. Allerdings differenziert der BGH dabei zwischen der Präsentation und der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke und macht deutlich, dass die spezifischen Gegebenheiten von Online-Marktplätzen bei der Haftungsprüfung berücksichtigt werden müssen. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung von Überwachungs- und Prüfpflichten für Plattformbetreiber und schafft gleichzeitig Klarheit über deren Umfang und Grenzen.